Abstract

In der Archäozoologie werden Beigaben heute typischer Fleischtiere zumeist a priori als Speisebeigaben für das Jenseits gewertet. Etwaige möglicherweise zusätzliche Symbolgehalte sowie die Bedeutung auch unscheinbar wirkender Arten zu Repräsentationszwecken im Bestattungsritual, werden selten diskutiert. Im Falle des Huhnes, das stets eine sehr vielschichtige Beziehung mit dem Menschen verband, greift die Beschränkung auf eine reine Speisefunktion möglicherweise zu kurz. Dem Beitrag liegen die zahlreichen Hühnerknochenfunde aus dem awarischen Gräberfeld an der Wiener Csokorgasse zugrunde. Anhand ihrer Verteilung auf die Gräber von bedeutenden und einfachen Männern sowie von Frauen und Kindern sollen Hinweise auf etwaige Motivationen ihrer Beigabe gewonnen werden. Zunächst werden der kulturhistorische Hintergrund und die vielfältigen mit Hühnern assoziierten Bedeutungen kurz dargelegt. Es folgt eine Beschreibung des Hühnerknochenmaterials und seiner Verteilung auf die genannten sozialen Gruppen. Im Anschluss daran wird die Anwendbarkeit von fünf für frühmittelalterliche Grabbeigaben erarbeiteten Deutungsvorschlägen auf das Material von der Wiener Csokorgasse diskutiert. Dabei kommt insbesondere der Rolle des Hahnes große Bedeutung zu, da dieser nicht nur eine klare Bindung an Männergräber zeigt, sondern im Laufe der Gräberfeldbelegung scheinbar auch einen Bedeutungswandel vollzieht.