Anna Elena Reuter, Ingo Lütjens, Wiebke Kirleis

Eine zweite Ernte? Getreide und Sammelpflanzen des eisenzeitlichen Fundplatzes Wittenborn LA 72, Kreis Segeberg

Published: Dezember 31, 2014 | DOI: https://doi.org/10.26016/offa.2010.A6

Anna Elena Reuter
Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität, D-24118 Kiel
Ingo Lütjens
Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, Außenstelle Neumünster, Gartenstr. 10, D-24534 Neumünster
Wiebke Kirleis
Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität, D-24118 Kiel

Abstract

Die pflanzliche Ernährungsgrundlage der Menschen in Wittenborn LA 72, Kr. Segeberg, lieferte vor allem der Anbau von Getreide. Wahrend der jüngeren Vorrömischen Eisenzeit (1. Jh. v. Chr.) wurden vor allem Gerste (Hordeum vulgare) und Hafer (Avena sp.) angebaut. In der jüngeren Römischen Kaiserzeit (3./4. Jh. n. Chr.) hatte der Hafer eine größere Bedeutung in der Ernährung erlangt. Zusätzlich wurde jedoch weiterhin Gerste angebaut. Zudem setzt ab dieser Zeit der Roggenanbau ein. Typische, in der jüngeren Römischen Kaiserzeit auftretende Sammelpflanzen sind die Walderdbeere (Fragaria vesca) und die Himbeere (Rubus ideaus). Von besonderem Interesse ist jedoch das zahlreiche Vorkommen von potentiell gesammelten Wildkräutern. Dabei sind vor allem Ackersporgel (Spergula arvensis), Flohknöterich (Polygonum persicaria), Weiser Gänsefuß (Chenopodium album) und bedingt Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosella) hervorzuheben. Deren Hauptverbreitungsgebiet lag wahrscheinlich vor allem im Bereich der Ackerflächen. Ihr zahlreiches und stetiges Vorkommen lasst auf eine besondere Bedeutung für die Sammelwirtschaft schließen. Aufgrund von Fundzusammensetzungen, in denen gehäuft Diasporen nutzbarer Wildpflanzen auftreten, ist davon auszugehen, dass die nach der Getreideernte auf den Ackerflächen nachwachsenden Unkräuter in einer „zweiten Ernte“ gezielt abgesammelt wurden. Ein Verzehr dieser Arten ist für die Eisenzeit anhand der Untersuchungen an Magen- und Darminhalten von Moorleichen eindeutig nachgewiesen. Vorratsfunde von gesammelten Wildkräutern unterstreichen das Bild einer Sammelkultur, die neben Wildobst und Nüssen auch Wildkräuter einschließt. Die Bearbeitung des umfangreichen archäobotanischen Materials der vollständig ausgegrabenen völkerwanderungszeitlichen Siedlung Wittenborn LA 73 steht noch aus. Ob die Tradition des Sammelns von Wildpflanzen fortgeführt wurde, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Zitationsvorschlag
Reuter u. a. 2014: A. E. Reuter/I. Lütjens/W. Kirleis, Eine zweite Ernte? Getreide und Sammelpflanzen des eisenzeitlichen Fundplatzes Wittenborn LA 72, Kreis Segeberg. Offa 67, 2014, 185–201. DOI: https://doi.org/10.26016/offa.2010.A6.

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